»Wir sind oft unbefriedigt, weil
Wir übersicher witzeln.«
Joachim Ringelnatz
Andrang in der Galerie am Markt in Wurzen wie selten: Der Ringelnatz-Sommer 2009 der Stadt hatte am 6. Juni einen bemerkenswerten Auftakt: Die Ausstellung „Ringelnatz und seine Ahnen“ gestattet erstmals einen umfassenden Blick auf die Vorfahren der Familie Bötticher. Sie hält höchst Interessantes bereit. Zum Beispiel, dass einer der Vorfahren von Joachim Ringelnatz König von Korsika war. Seine Biografie ist eine aus dem kompletten Stammbaum des nach eigenen Worten etwas schief ins Leben gebauten Künstlers, der in Stadtgalerie am Marktplatz nun bis zum 9. August erkundet werden kann. „Wir unternehmen den Versuch, die weit verzweigten Lebenslinien des Dichters zu großen Teilen zu zeigen“, erklärt Angelika Wilhelm vom Ringelnatz-Verein Wurzen, der die Schau organisiert hat. Zu danken ist für Leihgaben des Museums für Bildende Künste Leipzig, des Stadtgeschichtlichen Museums, der Familie Rietschel und des Ernst-Rietschel-Kulturrings.
Dass die Schau allerdings überhaupt zustande kam, sei einem Zufall zu danken, sagt Wilhelm. So habe sich im Januar Martin Rietschel, Nachfahre von Ernst Rietschel, der das Goethe-Schiller-Denkmal in Weimar schuf, bei ihr gemeldet. Martin Rietschel offenbarte Angelika Wilhelm nicht nur seine eigene verwandtschaftliche Verbindung zur Familie Bötticher/Ringelnatz und seine Begeisterung über die Wurzener Ringelnatz-Sammlung, sondern auch die Möglichkeit, gemeinsam in die Welt der Ahnen des Künstlers einzutauchen. Rietschel steuerte aus eigenem Familienbesitz zahlreiche Fotos und Dokumente über Ringelnatz‘ Ahnen bei. „Wir fanden weitere Vorfahren, die in der Literatur bisher nicht berücksichtigt wurden“, zeigt sich Angelika Wilhelm begeistert. Ringelnatz‘ Verwandte waren Maler, Schriftsteller, Gelehrte und Abenteurer. Zu Letzteren gehörte Theodor Baron von Neuhoff (1668-1756). Er ließ sich nach Versprechungen, Korsikas Unabhängigkeit gegen die Genuesen sichern zu können, zu Theodor I., König der Korsen, krönen. Seine Residenzzeit dauerte aber nur sechs Monate.
Imposante Vorfahren sind der Gelehrte Professor Ferdinand Hand aus Jena (Philosoph, Philologe, Sozialreformer und Doktorvater von Robert Schumann) und seine Frau Wilhelmine, geb. von Conta. Beide gelten als Urahnen der Familien Bötticher und Rietschel. Deren Töchter heirateten – die eine den Pfarrer Adam Böttcher und die andere den Bildhauer Ernst Rietschel.
Die Ausstellung zeigt alle Ahnen von Joachim Ringelnatz, wo immer möglich in Fotos, Zeichnungen, Gemälden. Zu jedem schrieb Angelika Wilhelm eine Kurzbiografie, ergänzt um Sequenzen aus den biografischen Aufzeichnungen Georg Böttichers und Ringelnatz. Zudem werden die von Ringelnatz als Nenn-Onkel bezeichneten Schriftsteller und Kunstfreunde seines Vaters Georg Bötticher vorgestellt.
Zum Auftakt zeigten sich die Rietschels als gewandte Ahnenforscher und Historiker, die selbst äußerst kurzweilig das Entstehen der Ausstellung und die Entdeckung des prominenten Familienmitgliedes darstellten. Bis hin zu noch nie veröffentlichten Gedichten (über die Gose) und den Streichen des unternehmungslustigen Hans Bötticher am Familientische. Der Ringelnatz-Verein Wurzen und der Rietschel-Kulturring vereinbarten weitere Zusammenarbeit. Zum Rotwein gab’s es zur Ausstellungseröffnung Seepferdchen zu kosten – von der Bäckerei Schwarze aus Quarkteig geformt und für den Anlass gesponsert. Danke.