»Das Herz sitzt über dem Popo. –
Das Hirn überragt beides.«
Joachim Ringelnatz
Joachim Ringelnatz wurde am 7. August 1883 hier im Crostigall 14 in Wurzen als Hans Gustav Bötticher geboren. Seine Eltern Georg und Rosa Marie zogen mit Bruder Wolfgang bereits ein Jahr zuvor in die Zimmerflucht in der ersten Etage ein. Obwohl die Familie bereits fünf Jahre nach der Geburt des jüngsten Sohnes in das nahegelegen Leipzig zog, identifizierte sich die Stadt bereits früh mit dem Erbe des Künstlers, dessen Werk unter den Nationalsozialisten als „entartet“ galt. So erinnert seit dem 17. November 1945 eine Gedenktafel an den 1934 verstorbenen Ringelnatz. Die Geschichte des Hauses ist in mehrfacher Hinsicht für die Stadtgeschichte von Wurzen bedeutsam und reicht weit bis ins Jahr 1511 zurück. Nachdem das 1687 erbaute und später klassizistisch überformte Gebäude bis in die 1980er Jahre noch als Wohnhaus diente, erwarb die Stadt Wurzen zu Ringelnatz‘ 100. Geburtstag das Haus. Es wurde saniert, zu einem Kulturtreff unter dem Namen Ringelnatzhaus ausgebaut und demnach schon am Vorabend der Deutschen Einheit als kultureller Veranstaltungsort genutzt.
Es ist das einzige noch erhaltene barocke Wohnhaus der Stadt und eines der wenigen noch vorhandenen bürgerlichen Gebäude vor der Industrialisierung. Die barocken Grundstrukturen des Gebäudes sind auch nach der Sanierung heute gut erkennbar: im Erdgeschoss eine durchgehende Haushalle, Kontorräume, eine frühere Schwarzküche, im Obergeschoss eine Wohndiele mit Kamin und eine straßenseitige Zimmerflucht. Im Außenbereich zeugt nur noch ein 1870 erbautes Stallgebäude von der Nutzung für Landwirtschaft, Handwerk und Manufaktur.
Als die Stadt Wurzen im Oktober 2015 Verkaufsabsichten ins Auge fasste, wehrte sich der Joachim-Ringelnatz-Verein mit Unterstützung der Öffentlichkeit dagegen. Hartnäckigkeit, Geduld und Optimismus und ein auf zehn Jahre ausgelegtes Konzept überzeugte den zuständigen Ausschuss des Wurzener Stadtrats letztlich davon, dass der Joachim-Ringelnatz-Verein willens und in der Lage ist, dem denkmalgeschützten Geburtshaus des berühmten Sohnes der Stadt dauerhaft Leben einzuhauchen. Der Ringelnatz-Verein übernahm per Betreibervertrag Öffnung und Betrieb des Hauses, im Gegenzug fasste die Stadt die Sanierung ins Auge und und übernahm die laufenden Betriebskosten. Bereits ab Herbst 2016 organisierte der Verein im noch unsanierten Ringelnatz-Geburtshaus Kleinkunst-Veranstaltungen in der Reihe Freitags im Crostigall sowie Ausstellungen und bot regelmäßige Führungen durch das Haus an.
Die Sanierungsarbeiten begannen im Juli 2019 und nach Verzögerungen durch Corona-Pandemie und bauliche Fragen erfolgte die feierliche Wiedereröffnung im April 2023. Seitdem steht das Haus wieder für Literaturfreunde aus dem gesamten deutschsprachigen Raum offen. Ziel ist die schrittweise Entwicklung des Hauses zu einer literarischen Gedenk-, Begegnungs- und Forschungsstätte für ein bedeutendes deutsches literarisches Erbe und einen großen sächsischen Künstler. Die Angebote sollen einem breiten Publikum Lust auf eine Begegnung mit dem Ringelnatz’schen Erbe machen. Im kleinen Lese-Café finden Vorträge oder Lesungen statt, der für bis zu 70 Gäste ausgelegte Saal dient Puppentheater, Kabarett, Konzerten und Ausstellungen. Für Kitas und Schulen werden Führungen gestaltet, im Projektraum ist Platz für Kreativkurse, Kunstprojekte oder museumspädagogische Angebote. Und in Kooperation mit Kunsthochschulen ist geplant, Ausstellungen und Kunstwettbewerbe zu organisieren.
Der kleine Park, der das Geburtshaus direkt mit der Wurzener Altstadt und dem Domberg verbindet, soll zudem Stück für Stück zum Skulpturenpark verwandelt werden. Das erste Kunstwerk „Im Park“ von Mike Haldi wurde zum RingelnatzSommer 2023 enthüllt.
Sie sind herzlich eingeladen das Geburtshaus des Universalkünstlers in Wurzen zu besuchen und dort mehr zu erfahren, über die Geschichte des Hauses, Joachim Ringelnatz, seine Familie und die heutige Nutzung als Literaturhaus mit Kunstbühne.
Informationen zu Öffnungszeiten, Anreise und Barrierefreiheit
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Das Ringelnatz-Geburtshaus wird institutionell gefördert durch den Kulturraum Leipziger Raum und die Ausstattung mitfinanziert durch Steuermittel auf der Grundlage des von den Abgeordneten des Sächsischen Landtages beschlossenen Haushaltes.
Die Entwicklung des Ringelnatz-Geburtshauses zur literarischen Gedenk-, Kultur- und Begegnungsstätte wird zudembgefördert durch die Kulturstiftung des Freistaates Sachsen.