»Das Herz sitzt über dem Popo. –
Das Hirn überragt beides.«
Joachim Ringelnatz
In Wurzen hat Hans Gustav Bötticher am 7.8.1883 das Licht der Welt erblickt und verlebte hier seine ersten fünf Lebensjahre.
Im autobiografischen Text „Mein Leben bis zum Kriege“ beschrieb Ringelnatz seine früheste Kindheit. Das meiste wurde ihm von Erwachsenen später berichtet. „Ich kann es nicht nachprüfen und kann auch damit nichts für meine Selbstbetrachtung anfangen.“ Und er bilanzierte lakonisch: „Hat alles seine Frucht gebracht. So oder so.“ Wohl deshalb vereinte Ringelnatz Fragezeichen und Ausrufezeichen hinter seiner Geburtsstadt, als er sie nach Ende der Tournee mit seinem Theaterstück „Die Flasche“ kurz besuchte. „Wurzen!?!?! –ach du liebe Zeit! Mein Wurzen.
Wurzen blieb ihm nicht nur „die Stadt, wo meine Mutter mich gebar“, wie er in einem Gedicht über Dresden vermerkte. Bereits zu seinen Lebzeiten wurden hier seine literarischen Werke gesammelt. Seine Ehefrau Muschelkalk erinnerte Ringelnatz persönlich per Brief daran, Publiziertes nach Wurzen zu senden, wo es seither im Museum der Stadt sorgsam bewahrt und stetig um weiteres ergänzt wird. Wurzens Museum beherbergt die älteste Sammlung zu Ringelnatz in Deutschland. Bereits in den 1920er Jahren hatte der damalige Museumsleiter Kurt Bergt, ein begeisterter Ringelnatz-Sammler, Kontakt zum Dichter gesucht.
Seit der Wiedereröffnung des städtischen Museums 1948 wurde Ringelnatz als der berühmteste Sohn der Stadt Wurzen mit einer ständigen Ausstellung geehrt. Geschenke der Ringelnatz-Familie vergrößerten die Sammlung. Das Vorhaben seiner Witwe Muschelkalk den Nachlass ihres Mannes einmal dem Wurzener Museum zu überlassen, scheiterte jedoch an den politischen Verhältnissen nach 1945 infolge der deutschen Teilung. Bis heute zeigt das Kulturhistorische Museum der Stadt eine Ausstellung zum Leben des vielseitigen Künstlers, darunter auch Einiges aus dem malerischen Werk von Ringelnatz.
Zum 100. Geburtstag von Ringelnatz 1983 sanierte die Stadt nicht nur das Geburtshaus, sie weihte zum runden Jubiläum auf dem Marktplatz auch den Ringelnatz-Brunnen ein.
Heute weisen schon an den Wurzener Autobahnabfahrten touristische Unterrichtungstafeln auf die Ringelnatz-Stadt hin, grüßen Hausgiebel mit ringelnatziger Gestaltung und laden die Kinderspielplätze „Kuttel Daddeldu“ und „Ein Hafen zum Verweilen“ den Nachwuchs zum Herumtollen ein, was sicher ganz im Sinne des großen Kinderfreundes Joachim Ringelnatz gewesen wäre. Und nicht zuletzt führt der Ringelnatzpfad über 13 Stationen entlang wichtiger Sehenswürdigkeiten, vor allem durch die historische Altstadt Wurzens.
Ein Dienstmädchen trug mich auf dem Arm oder führte mich an der Hand. Es war noch jemand dabei. Wir standen am Rande eines trostlos schlammfarbenen Wassers, das in die Straße eingedrungen war und … immer höher stieg. Und der Himmel war gewittergelb … So schlimm, so trostlos war das! Das Dienstmädchen machte mich offenbar gern gruseln. Denn andermal zog sie mich auf einen Friedhof trotz meines weinenden und schreienden Protestes vor ein Kreuz, an das ein großer, schreckeinflößender, nackter Mann genagelt war [Pesthäuschen]. Das ist meine am weitesten zurückreichende Erinnerung.?
Ich habe meinen Soldaten aus Blei
Als Kind Verdienstkreuzchen eingeritzt.
Mir selber ging alle Ehre vorbei,
Bis auf zwei Orden, die jeder besitzt.
Und ich pfeife durchaus nicht auf Ehre.
Im Gegenteil. Mein Ideal wäre,
Daß man nach meinem Tod (grano salis)
Ein Gäßchen nach mir benennt, ein ganz schmales
Und krummes Gäßchen, mit niedrigen Türchen,
Mit steilen Treppchen und feilen Hürchen,
Mit Schatten und schiefen Fensterluken.
Dort würde ich spuken.
Die erste ständige Joachim-Ringelnatz-Sammlung in Deutschland befindet sich in den Räumen des Kulturhistorischen Museums in Wurzen. Hier findet man ein umfangreiches Angebot zum Künstler.
Nach einem Kurzbesuch im Jahr 1932 schenkte Ringelnatz dem Museum in der Domgasse ein schönes Porträtfoto mit Widmung.
Möchten Sie den Seesack des jungen Hans Gustav Bötticher, Skizzen und Briefe oder das Bild „Eines Abends“ bestaunen? Dann besuchen Sie die Ausstellung in Wurzen.
Das Museum zeigt eine Auswahl an Gemälden, Grafiken, Büchern, Fotografien, Briefen uvm..
Museum mit Ringelnatzsammlung
Domgasse 2, 04808 Wurzen
Tel.: 03425 8560405
Anfahrt: Google-Maps
Website: kultur-wurzen.de/museum-wurzen
Die eindrucksvolle Brunnenanlage wurde im Jahr 1983 zum 100. Geburtstag des in Wurzen geborenen Dichters errichtet. Sie entstand als Gemeinschaftsarbeit der beiden Leipziger Bildhauer Dieter Dietze und Hartmut Klopsch. Das Wasserbecken und die Stele sind aus Granit gestaltet.
Die Stele trägt mehrere figürliche Bildwerke aus Bronze und ein in Stein gemeißeltes Schriftband mit dem Titel des Ringelnatz-Gedichtes „Überall ist Wunderland“. Gekrönt wird der Brunnen von einem wuchtigen, auf einem Seepferdchen reitenden Klabautermann mit den Gesichtszügen des Dichters. Die Gesamthöhe der Stele beträgt 3,9 Meter.
Die von wasserspeienden Masken unterbrochenen Bronzereliefs weisen auf das lyrische Werk von Joachim Ringelnatz und dessen scheinbare Gegensätzlichkeit hin: das derb Komische oder das zutiefst Empfindsame. Die vier Wasserspeier aus Sandstein polarisieren Zustände zwischen Lachen und Weinen, während die vier Reliefs – in jeweils zwei Gruppen geordnet – die vielfältigen Facetten des Dichters veranschaulichen.
Der Ringelnatz-Kunstpfad führt auf 13 Stationen entlang an wichtigen Sehenswürdigkeiten, vor allem durch die historische Altstadt Wurzens. An jedem Standort wurde eine Stele errichtet, die das Konterfei des Dichters sowie einen Vers aus dem umfangreichen Werk des Künstlers trägt. Gekrönt werden die Stelen jeweils durch thematisch passende individuelle Kunstwerke.
Einmalige Kompositionen von Ingeborg Freytag, kreiert aus Instrumentalmusik, Gesang und Wurzener Stadt- und Naturgeräuschen, passend zu Ort und Kunstwerk jeder Stele, geben den Skulpturen eine dritte Dimension. Nutzbar mit Smartphone, QR-Code-Scanner und Kopfhörern.
Eine Broschüre zum Ringelnatz-Pfad ist im Ringelnatz-Geburtshaus und der Tourist-Information erhältlich. Auf 56 Seiten macht diese Lust auf einen einmaligen Stadtspaziergang, um den Wurzen ganz zu Recht beneidet wird.
Begeben Sie sich auf einen wohl deutschlandweit einmaligen stadtgeschichtlichen Kunstpfad mit Versen, Plastiken und Klängen.
Tourist-Information Wurzen
Markt 5, 04808 Wurzen
Tel.: 03425 8560400
Website: tourismus-wurzen.de