»Das Herz sitzt über dem Popo. –
Das Hirn überragt beides.«
Joachim Ringelnatz
Im Rahmen des Projektes »Vererbt, vergöttert, vergessen? Über die Bedeutung und Vermittlung von Literatur als kulturelles Erbe.« der Arbeitsgemeinschaft Literarischer Gesellschaften und Gedenkstätten e.V. (ALG) haben wir unter dem Titel »Diktatur und Dichtung: Joachim Ringelnatz und Stephan Krawczyk« in Zusammenarbeit mit dem bekannten Liedermacher und Schriftsteller das Projekt gestartet.
Das Projekt sollte – vor dem Hintergrund zweier Dichter aus zwei Diktaturen – junge Menschen dazu ermutigen, sich eigenständig mit gesellschaftlichen Diskursen
auseinanderzusetzen und nach Menschlichkeit und Zivilcourage zu fragen. Das Projekt möchte aber auch bewirken, dass die Auseinandersetzung nicht im
schulischen Kontext „steckenbleibt“, sondern dass die jungen Leute mit Familie und Freunden über die Thematik ins Gespräch kommen. Daher startete das Projekt mit einem Konzert als musischem Pendant zur rationalen Workshoparbeit, welche sich sieben Tage später anschloss. Im Zentrum von Workshop und Konzert standen die Sicht auf das „Literaturerbe“ von Joachim Ringelnatz, dessen Bücher von den Nationalsozialisten verbrannt wurden, dessen Bilder als „entartete Kunst“ galten und der in der Folge eines strikten Auftrittsverbotes 1934 verarmt und vom Hunger gezeichnet starb. Auf Zugehörigkeit zum literarischen Kanon hatte Ringelnatz in dieser Zeit ebenso wenig Anrecht wie Stephan Krawczyk, ab 1981 nicht minder von Verbot und Verfolgung betroffen, in der DDR. Die Verbindung zu Ringelnatz hatte Krawczyk bereits mit Vertonungen zu Ringelnatz-Gedichten geschaffen, welche jüngst veröffentlicht wurden.
Am 9. November fand vor 120 Gästen im ausverkauftem Literaturcafe im Literaturhaus Leipzig ein Prodiumsgespräch mit unserer Vorsitzenden Viola Heß in Verbindung mit einem Konzert von Stephan Krawczyks Ringelnatz-Vertonungen statt. Das Thema zweier Dichter im Vergleich ihrer künstlerischen Aneignung und Wiedergabe begeisterte die Besucher ebenso wie die Ringelnatz-Vertonungen von Stephan Krawczyk. Am 16. November begleitete Stephan Krawczyk das Projekt schließlich in einem Workshop in der Aula des Gymnasiums Rudolf-Hildebrand-Schule in Markkleeberg. Der Kern jener 90 Minuten im Leipziger Gymnasium war die Widerständigkeit des Künstlers, der trotz Ausgestoßenseins aus der genormten Gemeinschaft zu allgemeingültigem poetischen Ausdruck kommt, eine Leistung, die den jungen Leuten im Gymnasium imponierte. Sowohl Ringelnatz als auch Krawczyk wurden, zwar aus unterschiedlichen Gründen, so doch kenntlich in ihrem „Nichtanderskönnen“, zu schöpferischen Außenseitern. Im Vortrag kamen die gesellschaftlichen Verhältnisse ebenso zur Sprache wie die Unteilbarkeit produktiver Charakterstärke. Etwa einhundert Schüler verfolgten die Ausführungen konzentriert und bedankten sich für den Ausflug in ihnen nahegebrachte Welten.
Im Jahr 2024 werden im abschließenden Teil des ALG-Projekts alle teilnehmenden Unterprojekte in einer digitalen Ausstellung aufbereitet und präsentiert.
Wir bedanken uns bei unseren Kooperationspartnern, dem Literaturhaus Leipzig unter Federführung von Thorsten Ahrend sowie dem Gymnasium Rudolf-Hildebrand-Schule in Markkleeberg unter Federführung der Schulleiterin Constanze Ambrosch und dem Deutschlehrer Dirk Schulze, sowie der ALG für die Förderung des Projektes