»Das Herz sitzt über dem Popo. –
Das Hirn überragt beides.«
Joachim Ringelnatz
Jubiläumsfest auf Wurzener Markt zieht hunderte Gäste aus nah und fern in seinen Bann
Leipziger Volkszeitung, 11.08.2008, Seite 17
Wurzen. Eine Stadt für einen Tag im Rausch der Goldenen Zwanziger. Ringelnatz hätte seine Freude gehabt. Der städtische Schwof ihm zu Ehren zog am Sonnabend hunderte Gäste seiner Geburtsstadt und der Umgebung an. Und da pünktlich zu Beginn um 15 Uhr die Sonne den Marktplatz streichelte, durften Ringelnatzverein, Rathaus und andere Organisatoren und Helfer auf die Früchte ihrer langfristigen Vorbereitung und also auf ein schönes Fest hoffen.
Und das wurde es auch. Auch weil viele Wurzener sich auf das Gaudium gefreut hatten und sich selbst im Stil der 20-er präsentierten. Etliche Männerköpfe zierten die seinerzeit modischen Strohhüte, im Volksmund Kreissägen genannt. Und die Frauen erst. Gertraud Lehne, um ein Beispiel zu nennen, hätte durch die Ringelnatzzeit wandeln können ohne aufzufallen. Mit Hut, geschmückt von Blumen und Tüllschleier, mit lose-durchgängigem Kleid mit Schlitz und echter Spachtelspitze, mit langer Perlenkette und weißen Handschuhen schien sie gleichsam einem Modeheft aus den sogenannten Goldenen entstiegen.
Apropos Mode. Gleich nachdem Oberbürgermeister Jörg Röglin die „schräge“ Fete, den Schwooof mit drei o, eröffnet hatte, wurde das Feld vor der Markttribüne zum Laufsteg. Und unter den Klängen altbekannter Ohrwürmer, wie sie unsere Großeltern verrückt gemacht hatten, stellten die Models der Modehäuser Sport- und Jeansmoden Christine Freigang, Modeboutique Sibylle Seifert, Modetreff Heidi und Fashion for you ihre Herbst-Winter Kollektionen vor. Dass sie dazu dann auch den musikalischen Background in die Moderne holten, war ein Zugeständnis an die Wurzener Käuferschaft und – man gönnte es ihnen – ein bisschen Werbung in eigener Sache. Unterstützt wurden die Textilhändler übrigens von den Optikern Röthig und Rost, die trendige Sonnenbrillen zum Augenschmaus beisteuerten, und Grazien des Fitness-Studios Balance, die zu allem eine gute Figur machten.
Die machten dann auch die vier Paare der Tanzschule Helma Ritter. Was sie dem staunenden Publikum bei Argentinischem Tango, Swing und Charleston, den Parkettfavoriten von damals, boten, hätte auch Profis alle Ehre gemacht. „Wir haben aber auch ein halbes Jahr intensiv geprobt“, nannte Bernd Marks, mit Partnerin Tina Schönemann eines der Tanzpaare, den Preis ihres perfekt-anmutigen Auftritts.
Beifall, der eben noch den Tänzern vor der Bühne galt, war wenig später auch aus der Marktecke vor der Ringelnatzbuchhandlung zu hören. Kein Wunder, denn die Wurzener Stadtmusikanten gaben ihrem Affen wieder tüchtig Zucker. Und waren von der guten Laune der Zuhörer offensichtlich so berauscht, dass sie, einmal in Fahrt, ihre Straßen-, Trink- und Hochzeitslieder weit über die vereinbarte Zeit hinaus in die Massen schmetterten. Musikalisch ging es mit dem Moonlight-Orchester und der Disko Blue Night bis in die blaue Nacht weiter. Mal schräg, mal hipp. Ganz ringelnatzig eben.
Bereits am Freitagabend hatten die Theatermacher(n) mit einem fulminanten Ringelnatz-Verschnitt im überfüllten Arkadenhof den Sonnabendschwooof eingeläutet. Gestern setzten sie mit einem Dakapo den Punkt unter ein Volksfest, das auch viele Händler und Geschäfte mit ihren Angeboten, auch an Speis und Trank, zu einer runden Sache gemacht hatten. Wulf Skaun
Und hier ein paar Eindrücke vom Jubiläumsfest am 11.8.08 in Wurzen: