»Das Herz sitzt über dem Popo. –
Das Hirn überragt beides.«
Joachim Ringelnatz
„Vom Crostigall nach überall“ heißt die kleine, aber tiefgründige neue Ausstellung im neu eröffneten Ringelnatz-Geburtshaus in Wurzen, welche zur Vernissage am 13. Mai eröffnet wurde. Die Ausstellung begibt sich auf die Spuren des reisenden Artisten sowohl in seiner Zeit als auch in seiner Wirkung bis in die Gegenwart. Denn was erinnert an einen Künstler, wenn das Mobiliar seiner Behausung in alle Winde verweht ist und eine Ausstellung über sein Leben bereits museale Heimstatt im Museum seiner Geburtsstadt gefunden hat? Ringelnatz Selbstdarstellung als reisender Artist macht sein Geburtshaus im Crostigall 14 in Wurzen zu einem immerwährenden Ausgangspunkt seines Aufbruchs. Nirgendwoher als vom Crostigall reiste er nach überall – zu neuen Wohnorten, Auftrittsorten, literarischen Werken. Mit der neuen Dauerausstellung findet der reisende Artist in seinem Geburtshaus wieder Heimat. Geöffnet ab Juni von Donnerstag, Freitag und Sonntag, jeweils 14-17 Uhr.
Die Ausstellung wurde lange vorbereitet. Ihr Kurator, der Literaturwissenschaftler Dr. Michael Ostheimer hat sich auf der Grundlage der 1927 erschienenen „Briefe eines reisenden Artisten“ auf den Weg zu den damaligen Auftrittsorten gemacht, denen Ringelnatz nicht Briefe, sondern Gedichte gewidmet hat. Auf diesen Entdeckungsreisen vom Heute ins Gestern entstanden Videopodcasts, die die Erlebnisorte des Dichters auf Reisen beschreiben und in der Ausstellung zu sehen sind. Parallel dazu forderte der Ringelnatzverein in einem literarischen Wettbewerb „Kringel à la Ringel“ Stadtgedichte zu schreiben und sich mit dem reisenden Artisten lyrisch zu messen. Dabei entstand ein literarischer Echoraum, gefüllt mit vielseitiger lyrischer Reflexion aus 98 Städten im deutschsprachigen Raum. Die schönsten davon finden sich im Begleitbuch zur Ausstellung wieder.
Als Gastredner zur Vernissage hatte der Verein den Literaturwissenschaftler Dr. Andreas Keller aus Potsdam eingeladen. Er widmete sich in seinem Vortrag den Abenteuern des ‚welt-reisenden Artisten‘ als Anregung für die aktuelle Reiseforschung. Anschließend führt Kurator Michael Ostheimer durch die Ausstellung, in der man sich virtuell auf einem Whiteboard durch die Auftrittsorte des reisenden Artisten bewegen und die Videopodcasts abrufen kann. Die Preisträger des Gedichtwettbewerbes erhalten einen Ehrenplatz in der Ausstellung. Diese versteht sich als Ergänzung zur Lebensausstellung des Dichters im Kulturhistorischen Museum der Stadt Wurzen. Ebenso wie der Ringelnatz-Kunstpfad der Stadt laden beide Ausstellungen zu einer literarischen Entdeckungsreise nach Wurzen ein.
Titelbild: Cornelia Schmidt
Der Joachim-Ringelnatz-Verein e.V. wurde 1992 in Wurzen (Sachsen) gegründet. Der Verein organisiert Kleinkunst, Ausstellungen, Vorträge, Lesungen und viele andere Veranstaltungen rund um Joachim Ringelnatz und dessen Geburtshaus in Wurzen sowie den alljährlichen RingelnatzSommer in Wurzen.
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