»Das Herz sitzt über dem Popo. –
Das Hirn überragt beides.«
Joachim Ringelnatz
Selten gesehene Stücke und eine einmalige Kombination: zwei zeitgleiche Ausstellungen im RingelnatzJahr 2008 zur Lebensgeschichte Ringelnatz`in Sachsen
Ausstellung EINS: „Vater und Sohn. Unbekanntes aus der Ringelnatzsammlung“ heißt die Ausstellung des Joachim Ringelnatz Vereins Wurzen aus Anlass des 90. Todestages von Georg Bötticher und des 125. Geburtstages von Joachim Ringelnatz, eigentlich Hans Gustav Bötticher. Sie ergänzt vom 24. Mai bis 10. August 2008 in der Städtischen Galerie am Markt die Ringelnatz-Dauerausstellung des Museums.
Ausgestellt werden Zeichnungen, Bücher und unikate Schriften von Georg Bötticher, der nach seiner Lehrzeit in Dresden, Chemnitz und Paris von 1875 bis 1888 als Chefdesigner für die Wurzener Tapeten- und Teppichfabrik und andere führende Tapetenfabriken Musterzeichnungen für Tapeten, Teppiche und Stoffe entwarf, die auf internationalen Gewerbeausstellungen prämiiert wurden. Nach dem Umzug in die Buch- und Messestadt Leipzig widmete er sich der Schriftstellerei und gab 19 Jahre bis zu seinem Tod den berühmten „Auerbachs-Deutscher-Kinder-Kalender“, humoristische Erzählungen, Gedichte und Kinderbücher heraus. Er war Mitbegründer mehrerer illustrer Herrengesellschaften wie „Die Leoniden“ und „Die Stalaktiten“.
Die Doppelbegabung setzt sich in Ringelnatz fort. Der Zehnjährige schenkte seinem Vater zu Weihnachten ein langes, nicht fehlerfreies, aber illustriertes Gedicht „Der Töpfermarkt in Wurzen“. Mit 18 bekam er das erste Honorar (20 Mark) für den Abdruck von „Änne Häringsgeschichte“ im „Grobian“, einem Leipziger Unterhaltungsblatt. Diese und andere Erstlingswerke des Multitalentes Ringelnatz sowie weitgehend unbekannte Zeichnungen, Aquarelle, Bücher, Briefe, Fotografien, Plakate und Kuriosa werden gezeigt, auch Illustrationen bekannter Künstler wie Max Schwimmer, Ulrich Hachulla, Bernhard Kretzschmar oder Manfred Bofinger.
Die Besucher erhalten Einblick in die langjährige Korrespondenz zwischen Ringelnatz‘ Frau Muschelkalk mit Biografen und Sammlern wie dem Hallenser Fritz Schirmer, dessen umfangreiche Dokumentensammlung das Museum Wurzen 1991 für seine Ringelnatz-Sammlung ankaufen konnte. Ergänzt wird die Ausstellung mit plastischen Entwürfen von Hartmut Klopsch und Herbert Ihle für den 1983 auf dem Markt aufgestellten Ringelnatz-Brunnen, sowie mit Leihgaben aus Cuxhaven, Hamburg und Leipzig. Dazu gehört auch ein bisher verschollen geglaubtes Gemälde von Ringelnatz: „Beschaulichkeit“ von 1927, das „nach der Natur“, das heißt nach Ansicht seines Berliner „stillen Örtchens“ entstanden ist. Dieses skurrile Bild will der Ringelnatzverein noch in diesem Jahr für seine Sammlung erwerben und sucht weiter Sponsoren.
Ausstellung ZWEI: „Wurzen, ach Du liebe Zeit, mein Wurzen“ heißt es zeitgleich in der Stadtkirche St. Wenceslai zu Wurzen. Mit rund 200 Postkarten wird die Geburtsstadt des Dichters, Kabarettisten und Malers so dokumentiert, wie sie zu seinen Lebzeiten ausgesehen hat. Der Förderverein der Stadtkirche zeigt die Schau im erst kürzlich sanierten Kirchenschiff. Sammler aus der Region stellten bereitwillig ihre Schätze zur Verfügung. Zu danken ist dafür Günther Jähne, Wolfgang Genedl, Hans-Georg Werner, Dieter Peche, Ilse Schäfer, Rita Zerbs, Ursula Poster, Lothar Wallis und Marie Luise Müller.
Gezeigt wird auch Mobilar eines bürgerlichen Haushaltes der Ringelnatz-Zeit, das bis zur Schließung im Ringelnatz-Geburtshaus als Bötticher-Zimmer zu sehen war. Während der Ausstellung wird ein Schwarz-Weiß-Film „Die Stadt Wurzen – Sommer 1925“ vorgeführt, dessen Autor Karl Pöge ist. Der Film kann von Besuchern ebenso erworben werden wie eine DVD mit Stadtansichten damals und heute. Der Förderverein der Stadtkirche dankt dem Geschichts- und Altertumsverein Wurzen, besonders Wolfgang Ebert, für sachkundige Beratung.
VERNISSAGE: Beide Ausstellungen werden am 24. Mai 2008, 10 Uhr, eröffnet. Der Rundgang, kabarettistisch begleitet von den Ringelnatzern von „TheaterMacher(n)“, beginnt in der Galerie am Markt. Nach einer Rast mit Speisen und Getränken auf dem Wenceslaikirchhof wird er 11.30 Uhr in der Stadtkirche fortgeführt.