»Das Herz sitzt über dem Popo. –
Das Hirn überragt beides.«
Joachim Ringelnatz
Wenn ich ein Geist wäre, dann würde ich durch die Welt wandern und keiner würde mich sehen. Ich könnte Leute mit fliegenden Vasen erschrecken oder nachts die knarzende Treppe hoch- und runterlaufen, bis das Kind, bewaffnet mit Taschenlampe und Teddy, sich auf die Suche nach dem Geist macht. Ich könnte ihm zuschauen, bis die Mutter aus dem Zimmer kommt und den Unfug beendet.
Ich würde mir eine beste Geisterfreundin suchen, mit der ich nachts Rommé spielen kann oder am hellichten Tage Wettrennen im Bundestag veranstalte. Vielleicht würden wir auch durch die Meere geistern und die Tiefen des Ozeans erkunden. Ober bis ins Weltall fliegen und fremde Planeten erforschen. Wer weiß, vielleicht änderte ich das Skript für den nächsten Alien-Film. Genausogut könnten wir durch nebelverhangene Wälder streifen und unsere eigene waschechte Geisterburg bauen. Dann würden wir solange durch den Wald spuken, bis die Leute der benachbarten Dörfer nur noch zittern, wenn sie den Namen des Waldes hören. Dort würde ich mich einige Zeit in Ruhe niederlassen und vielleicht ein Buch mit dem Namen „Wie du am besten Leute erschreckst“ oder „Sei ein guter Geist“ schreiben oder ich nenne es „Von den Tiefen der Ozeane bis in die Weiten des Alls“ und halte darin mein ganzes Wissen fest. Dann könnten künftige Geisterkinder aus meinen Erfahrungen lernen.
Schließlich würde ich weiterreisen, je nachdem, wohin der Geisterwind weht.
Rosalie Anders
Der Joachim-Ringelnatz-Verein e.V. wurde 1992 in Wurzen (Sachsen) gegründet. Der Verein organisiert Kleinkunst, Ausstellungen, Vorträge, Lesungen und viele andere Veranstaltungen rund um Joachim Ringelnatz und dessen Geburtshaus in Wurzen sowie den alljährlichen RingelnatzSommer in Wurzen.
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